Ursula Nuber DiplompsychologinPsychologische Beratung | Paartherapie | Coaching

Das Selbstwertgefühl – die Quelle unserer Kraft

Wer bin ich? Was kann ich? Was bin ich wert? Wer diese wichtigen Fragen positiv beantworten kann, hat festen Boden unter den Füßen. Denn ein starkes Selbst ist der Garant für Lebenszufriedenheit, Gesundheit und Erfolg. Umgekehrt kann ein schwaches, instabiles Selbstwertgefühl Lebenschancen verbauen und zu ernsthaften Problemen führen.

Das Leben ist ein Risiko. Naturkatastrophen und Unfälle bringen diese banale Tatsache auf dramatische Weise immer wieder ins Bewusstsein. Aber auch hohe Arbeitslosenzahlen, Hartz-IV-Schicksale, Krankheiten, zerbrechende Beziehungen, berufliche Niederlagen oder extrem beschämende Situationen gehören zu den Faktoren, die den Boden unter den Füßen ins Schwanken bringen können.

Selbst wenn man nicht direkt von solchen Ereignissen betroffen ist, so sickern die Berichte darüber doch in die Psyche und lassen einen unsicher werden. Man fragt sich: Auf was ist denn heute überhaupt noch Verlass? Wo findet man die Sicherheit, die man braucht, um handlungsfähig zu bleiben und Ziele in Angriff nehmen zu können? Religion, Familie, Beruf, Freundschaft – all diese Instanzen haben ihre Funktion als Haltgeber längst verloren. Was aber bleibt dann noch?

Der amerikanische Psychotherapeut Nathaniel Branden hat darauf eine klare Antwort: In diesen unsicheren Zeiten kann ein Mensch nur bestehen, wenn er über ein starkes Selbst verfügt: „Angesichts des geschwundenen kulturellen Konsenses, angesichts fehlender Rollenmodelle, die es wert sind, dass man ihnen nacheifert, angesichts der Tatsache, dass es in der öffentlichen Arena so weniges gibt, das uns beflügelt, uns dafür zu engagieren, und angesichts der so verwirrenden rapiden Veränderungen, die bezeichnend für unser heutiges Leben sind, ist es gefährlich, wenn wir nicht wissen, wer wir sind oder uns nicht selbst vertrauen.“

Der Instabilität der äußeren Welt könne der Mensch nur durch innere Stabilität begegnen. Wer kein ausgeprägtes Gefühl für die eigene Identität, Kompetenz und Wertigkeit besitze, der habe in turbulenten Zeiten schlechte Karten.

Was aber ist mit einem „starken Selbst“ gemeint? Es kursieren viele Namen: Selbstsicherheit, Selbstachtung, Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl, Selbstakzeptanz, Selbstbejahung, Selbstbehauptung. Die Bamberger Psychologin Astrid Schütz spricht in ihrem aktuell erschienenen Lehrbuch zum Thema von „Selbstwertschätzung“.

Wie man es auch nennt, die Bedeutung ist immer die gleiche: Menschen mit einem starken Selbst haben eine gute bis hohe Meinung von sich. Sie glauben, dass sie über wichtige Fähigkeiten verfügen, und sie gehen Risiken ein, weil sie eventuelle Misserfolge nicht sich selbst, sondern äußeren Umständen zuschreiben. Sie sind sich ihres eigenen Wertes sicher und fühlen sich den Herausforderungen des Lebens gewachsen. Sie sind überzeugt davon, dass sie ein Recht auf Glück haben und ihre Wünsche, Gedanken und Bedürfnisse geltend machen dürfen. Menschen mit einem starken, stabilen Selbstwertgefühl „sind mit sich und ihrem Leben relativ zufrieden, leben in befriedigenden Partnerschaften und zeigen hohe Leistungen“, schreibt Astrid Schütz.

Ein starkes Selbst ist der Garant für Lebenszufriedenheit, Gesundheit und Erfolg. Umgekehrt kann ein schwaches, instabiles Selbstwertgefühl Lebenschancen verbauen und zu ernsthaften Problemen führen. Menschen, die kein positives Urteil über sich selbst abgeben, unterscheiden sich von selbstwertstarken Personen in wesentlichen Punkten:

  • Sie zweifeln an ihren Fähigkeiten. Das führt häufig dazu, dass sie schwierige Aufgaben nur zögerlich oder gar nicht angehen. Misserfolge entmutigen sie, da sie diese immer und grundsätzlich auf eigenes Fehlverhalten zurückführen. („Ich kann eben nichts!“). Das hat zur Folge, dass sie vorschnell resignieren, sich wenig zutrauen.
  • Weil sie lieber beliebt sein wollen als respektiert und bewundert, stellen sie ihr Licht unter den Scheffel und zeigen nicht, was sie können. Von ihren Mitmenschen werden sie deshalb häufig unterschätzt und für wenig kompetent gehalten.
    In einer eigenen Untersuchung ließ Schütz Studierende Kunstwerke beurteilen. Teilnehmer, die vorher als selbstwertstark identifiziert worden waren, hielten sich mit ihrer Meinung und Kritik nicht zurück. Die selbstunsicheren Studenten dagegen äußerten sich sehr vorsichtig und zurückhaltend und fanden eher Lob als Tadel für die Gemälde.
    Auch diese Studie bestätigt: Selbstwertschwache Menschen wollen als nett, freundlich und sympathisch wahrgenommen werden. „Bloß nicht unangenehm auffallen“ heißt deshalb ihre Devise. Anerkennung durch andere ist ihnen zwar sehr wichtig, aber noch wichtiger ist es für sie, sich keine Kritik oder Ablehnung einzuhandeln. Dadurch aber bleiben sie mit ihren Fähigkeiten für andere unsichtbar. Weil sie sich nicht zeigen, können sich andere nur schwer ein Urteil über sie bilden.
  • Durch ihre starken Selbstzweifel sind sie auf permanente Bestätigung angewiesen, was Lebenspartner und Freunde oft als sehr belastend empfinden. „Menschen mit starken Selbstzweifeln und sehr niedriger Selbstwertschätzung können offensichtlich kaum glauben, dass ihre Partner sie lieben“, schreibt Astrid Schütz. „Sich auf eine Beziehung einzulassen ist für sie stets ein Dilemma – der Wunsch nach Nähe ist mit der Sorge verbunden, letztlich doch wieder abgelehnt zu werden.“ Wie Studien zeigen, sind selbstwertschwache Menschen mit ihren Beziehungen unzufriedener als selbstwertstarke und haben größere Ängste, was die Dauerhaftigkeit der Partnerschaft angeht. 

Wer grundsätzlich an sich zweifelt, sein Licht unter den Scheffel stellt, sich bescheiden im Hintergrund hält, der wird weniger beachtet und hat seltener Erfolgserlebnisse. Da bestätigende Zuwendung und ermutigende Leistungen fehlen, bleibt das Selbstwertgefühl auf niedrigem Niveau. Ein Teufelskreis, der langfristig zu ernsthaften psychischen Problemen führen kann, wie Nathaniel Branden schreibt: „Abgesehen von Störungen, deren Wurzeln biologischer Natur sind, fällt mir kein einziges psychologisches Problem ein, das sich nicht – und sei es zumindest teilweise – auf das Problem eines mangelhaften Selbstwertgefühls zurückführen lässt.“

Ängste und Depressionen, schlechte schulische Leistungen, berufliche Misserfolge, Beziehungsprobleme, Alkohol- oder Drogenmissbrauch, sexuelle Störungen, Passivität, Gewalttätigkeit, sogar Suizidversuche gehen auf das Konto eines schwachen Selbstwertes, meint der Psychotherapeut.

Die enorme Bedeutung eines starken Selbst für die seelische Gesundheit betonen auch die Autoren Matthew McKay und Patrick Fanning: „Selbstachtung ist für das psychische Überleben unverzichtbar. Ohne ein gewisses Maß an Selbstachtung kann das Leben ungeheuer schmerzhaft sein, und wichtige Grundbedürfnisse können unerfüllt bleiben.“

Der Eindruck „Das bin ich, und das bin ich wert“ setzt sich aus verschiedenen Informationen zusammen, die aus folgenden drei Lebensbereichen stammen:

  1. Selbstbeobachtung: Wer zu einem Vorstellungsgespräch geht und sich daran erinnert, wie er eine ähnliche Situation bravourös gemeistert hat, wird zuversichtlich dem Termin entgegensehen. Wer dagegen weiß, dass er „wie immer in solchen Situationen“ vor Angst feuchte Hände bekommen wird, rechnet sich für das Gespräch wohl eher geringe Chancen aus.
    Auch die Einschätzung der eigenen Attraktivität kann das Selbstwertgefühl stärken oder mindern. Selbstkritik à la „Wie sehe ich bloß aus!“ ist natürlich weniger aufbauend als eine wohlwollende Betrachtung der eigenen äußeren Erscheinung.
  2. Soziale Vergleiche: Man beobachtet nicht nur sich selbst, sondern auch andere. Eindrücke wie „Der ist ja noch nervöser als ich“ oder „Das kann ich viel besser“ können den eigenen Selbstwert stärken. Glaubt man jedoch, im Vergleich zu anderen nicht gut genug zu sein, traut man sich weniger zu.
  3. Rückmeldungen: Dass Lob, Bewunderung und Anerkennung sich positiv auf das Selbstwertgefühl auswirken, liegt auf der Hand. Kritik und Probleme mit anderen können den Selbstwert dagegen bedrohen.

Wie viele Studien zeigen, werden diese drei Informationsquellen von Männern und Frauen unterschiedlich gewichtet. Für Männer ist der soziale Vergleich sehr wichtig, Frauen legen dagegen mehr Wert auf zwischenmenschliche Beziehungen und Feedback. Astrid Schütz: „Männer sind also besonders zufrieden, wenn sie merken, dass sie besser sind als andere. Frauen scheint es wichtiger zu sein, von anderen anerkannt und akzeptiert zu werden.“

Welche Strategie ist für das Selbstwertgefühl besser? Keine von beiden, meint die Bamberger Psychologin, denn beide sind „schlechte Selbstwertquellen“.

Der Grund: Sowohl soziale Vergleiche als auch die Anerkennung durch andere sind Veränderungen unterworfen und nur selten unbegrenzt verfügbar. Wer seinen Selbstwert daraus bezieht, dass er attraktiver, erfolgreicher, sportlicher als eine andere Person ist, wird in seinem Selbstbild stark verunsichert, wenn er altert, die Schönheit schwindet oder ein Misserfolg verkraftet werden muss.

Ebenso unsicher sind zwischenmenschliche Beziehungen. Wer sich nur dann achten und wertschätzen kann, wenn er bei anderen beliebt ist, macht sich von deren Zuneigung abhängig. Scheitert eine Partnerschaft, ziehen sich Freunde zurück, kommt es zu familiären Konflikten, dann stellt sich das starke Selbst schnell als Fassade heraus.

Selbstwertstarke Personen messen daher äußeren, veränderlichen „Verstärkern“ weniger Bedeutung bei. Sie verlassen sich auf die einzige gute, weil verlässliche Selbstwertquelle, welche die Expertin Schütz folgendermaßen beschreibt: „Sich so zu akzeptieren, wie man ist, ohne dies von positiven Rückmeldungen oder persönlichen Erfolgen abhängig zu machen.“

Genau das aber ist das Problem selbstwertschwacher Menschen. Sie können sich so, wie sie sind, nicht akzeptieren. Ihre Ansprüche an sich selbst sind höher. Schon 1890 hat William James erkannt, dass derjenige ein starkes Selbst besitzt, bei dem die Kluft zwischen dem Selbstbild „So bin ich“ und dem Idealbild „So möchte ich gerne sein“ gering ist. Entscheidend für das Selbstwertgefühl ist, so James, in welchem Verhältnis Erfolge und Ansprüche einer Person zueinander stehen. Ein Mensch, der wenig von sich erwartet, wird sich über geringe Erfolge nicht den Kopf zerbrechen. Umgekehrt können noch so beachtliche Leistungen einen Menschen mit extrem hohen Erwartungen schlaflose Nächte bereiten.

Wie aber entsteht die selbstwertschädigende Diskrepanz zwischen Selbst- und Idealbild? Warum können manche Menschen sich problemlos so akzeptieren, wie sie sind, während andere von Selbstzweifel und Selbstunsicherheit geplagt sind? Die Forschung nennt zwei Gründe: genetische Einflüsse und frühkindliche Erfahrungen.

Studien mit eineiigen und zweieiigen Zwillingen konnten belegen, dass genetische Einflüsse bei der Ausbildung des Selbstwertgefühls eine Rolle spielen. Die Ergebnisse legen nahe, dass Kindern „offenbar bereits im Erbgut ein bedeutsames Ausmaß an Selbstwertschätzung mitgegeben“ wird, wie Astrid Schütz in ihrer Forschungszusammenschau schreibt. „Diese genetischen Faktoren bestimmen die Art und Weise, wie Kinder ihre Umwelt wahrnehmen und auf sie reagieren.“

Ein von Geburt an schüchternes Kind wird beispielsweise weniger Neugier auf Neues zeigen und von Zuwendung und Belohnungen abhängiger sein als ein temperamentvolleres, weniger introvertiertes. Auf diese Weise, so Schütz, kommen „Verstärkungsprozesse in Gang, die zur Verfestigung von Persönlichkeitseigenschaften und Selbsteinschätzungen führen können.“

Doch allein aufgrund seiner erblichen Anlagen wird aus einem schüchternen Kind kein selbstwertschwaches. Und auch einem „von Haus aus“ selbstsicheren Kind kann der Mut genommen werden. Wie ein Kind sich entwickelt, hängt nicht nur von seinen genetischen Anlagen, sondern in hohem Maße vom Erziehungsverhalten seiner Eltern ab. Es wächst nur dann zu einem selbstsicheren Menschen heran, wenn seine frühen Erfahrungen ihm zu folgenden drei Überzeugungen verhelfen:

  • „Ich werde geliebt, so wie ich bin“
    Zu dieser Überzeugung kann ein Kind nur gelangen, wenn Eltern ihre Zuneigung nicht an Bedingungen knüpfen. Wer nur geliebt wird, weil er seinen Teller leer isst, immer gute Noten nach Hause bringt und sich immer vorbildlich verhält, kann kein stabiles Selbstwertgefühl entwickeln. Ebenso wird ein Kind in seinem Selbstwert zutiefst verunsichert, wenn unvermeidbare Fehler ihm als Charakterschwäche angelastet werden. Ein Kind, das gegen ein Verbot verstößt, kann Strafe akzeptieren, wenn sie sich auf die konkrete Situation bezieht. Wird es jedoch als grundsätzlich „böse“, „eigensinnig“ oder „egoistisch“ verurteilt, verfestigt sich allmählich die Überzeugung, irgendwie nicht in Ordnung zu sein.
  • „Ich kann etwas“
    Wenn Eltern von ihrem Kind nur Erfolge sehen wollen und diese als selbstverständlich betrachten, Fehler dagegen als „Katastrophe“ bewerten und vielleicht sogar mit Liebesentzug bestrafen, dann wird es nur schwer ein Gefühl für das eigene Können entwickeln. Das Kind verliert dann den Glauben an die eigene Wirksamkeit und meidet Herausforderungen, weil es Furcht vor dem Scheitern hat.
    Ebenso schädlich wie überzogene Kritik ist auch unberechtigtes Lob. Eltern, die ihr Kind idealisieren und alles toll finden, was es tut, erreichen damit genau das Gegenteil dessen, was sie wünschen: Das Kind kann seine Stärken und Schwächen nicht realistisch einschätzen und reagiert ähnlich verunsichert wie ein Kind, das ständig nur kritisiert wird.
  • „Das ist richtig, das ist falsch“
    Durch klare Regeln, sinnvolle Grenzen und konsequentes Erziehungsverhalten vermitteln Eltern ihren Kindern stabile Werte. Lernen sie rechtzeitig, zwischen „Richtig“ und „Falsch“, zwischen „Gut“ und „Böse“ zu unterscheiden, sind sie vor existenziellen Verunsicherungen weitgehend geschützt. Später, wenn sie dann selbst entscheiden müssen, sind diese früh erfahrenen Werte ein Leitsystem, das ihnen Gewissheit für die Richtigkeit ihres Verhaltens gibt.
    Erhält man in frühen Jahren diese Orientierung nicht, hat man oftmals als Heranwachsender und Erwachsener Schwierigkeiten, seinen Standpunkt zu bestimmen.

Menschen, deren Selbstwert in der Kindheit gelitten hat, müssen unter Umständen ein Leben lang mit den emotionalen Nachwirkungen kämpfen, meinen Matthew McKay und Patrick Fanning. „Sie behalten bewusste und unbewusste Erinnerungen an all die Situationen zurück, in denen sie sich ‚nicht richtig‘ oder schlecht gefühlt haben.“ Die Wunden, die dem Selbstwertgefühl früh zugefügt worden sind, verheilen nur oberflächlich. Bei Kritik, Misserfolg, Fehlern oder Liebesentzug brechen sie wieder auf, und das Gefühl „Ich bin nichts wert“ kann sich ungehindert entfalten.

Genetische Disposition plus belastende Erziehungserfahrungen – zwei starke Faktoren, die durchaus Anlass zur Resignation für selbstwertschwache Menschen sein könnten. Doch dazu besteht kein Grund, meint Nathaniel Branden. „Das Niveau unseres Selbstwertgefühls wird nicht in unserer Kindheit ein für allemal festgelegt. Es kann wachsen, wenn wir reifer werden, und ebenso kann es sich verschlechtern.“

In positiver Richtung kann das Selbstwertgefühl natürlich durch äußere Ereignisse beeinflusst werden – man verliebt sich, lebt in einer befriedigenden Beziehung, hat beruflichen Erfolg. Am nachhaltigsten gefestigt wird es aber durch eine positive Veränderung des Selbstbildes. „Ich bin, was ich bin, und das ist alles, was ich bin“, sagt Popeye, die Comicfigur. Für Astrid Schütz ist dies ein gutes Beispiel für eine selbstwertstützende Haltung. Denn Popeye verweist auf das, was er ist und kann und nicht auf das, was ihm fehlt. Und das ist, so bestätigt die psychologische Forschung, sehr klug.

„Will man … die Selbstwertschätzung einer Person stützen, ist es hilfreicher, ihre Aufmerksamkeit auf positive, bereits vorhandene Eigenschaften zu lenken als auf negative, nicht vorhandene“, sagt Schütz.

Wer einen Freund nach langer Zeit trifft und diesem erzählt „Ich lebe nicht mehr im Dorf, ich arbeite nicht mehr als Lehrkraft, ich bin nicht Musiker geworden wie mein Bruder“ wertet sich unbewusst ab. Formuliert er dagegen seine Selbstbeschreibung positiv – „Ich habe den Schritt in die Stadt gewagt habe, ich habe eine neue berufliche Herausforderung angenommen und einen ganz anderen, aber ebenso befriedigenden Beruf wie mein Bruder“ – signalisiert er damit nicht nur dem Freund Selbstbewusstsein, sondern fühlt sich selbst wertvoller.

Auch therapeutische Maßnahmen, die zum Beispiel die negative Ursachenzuschreibung von Selbstwertschwachen verändern („Ich hatte eben nur Glück“ statt „Ich habe das geleistet“) oder Generalisierungen abbauen („Ich bin dumm“), sind geeignet, das Selbstwertgefühl zu verbessern.

Doch auch ohne therapeutische Unterstützung können Menschen ihr Selbstbild verbessern, meinen die Autoren Matthew McKay und Patrick Fanning. „Mitgefühl mit sich selbst“ heißt ihre Empfehlung. „Das bedeutet, dass Sie sich selbst verstehen und akzeptieren, dass Sie sich vergeben, wenn Sie einen Fehler machen, dass die Erwartungen, die sie an sich selbst stellen, vernünftig sind, dass Sie sich erreichbare Ziele setzen und dass sie sich in der Regel als grundsätzlich gut ansehen.“

Wer dieses Mitgefühl für sich selbst nicht in jeder Situation aufbringen kann und immer wieder mal unter seinem schwach ausgeprägten Selbstbewusstsein leidet, kann vielleicht aus Forschungsergebnissen einen Trost ziehen, welche die Grenzen eines starken Selbstbewusstseins aufzeigen: [...] 

Erstveröffentlichung in Psychologie Heute 4/2005. Weiterlesen:
Ursula Nuber: 10 Gebote für anspruchsvolle Frauen
Fischer Taschenbuch, Frankfurt/M. 2006
160 Seiten, € 5,95, ISBN 978-3-596-16863-7